Buch #16: Peter Hoeg – Fräulein Smillas Gespür für Schnee

Ich schätze, ich bin nicht die Einzige, die Literatur auch deswegen liebt: man kann in beliebige Länder reisen und Einblicke erhalten. Nun ging es also vom Kongo nach Dänemark und Grönland. In einem der besten Krimis, die ich je gelesen habe (und ich las schon einige).

Ein Porträt von Peter Hoeg

Ein kleiner Junge ist tot. Vom Dach gefallen. Wie sich herausstellt, hatte er Höhenangst. Und dieser Umstand macht Fräulein Smilla stutzig. Der Junge, Jesaja, lebte mit seiner Alkoholiker-Mutter im selben Haus wie Smilla, und oft hat er Zuflucht bei ihr gesucht. Zwei stille Menschen, die nicht viel kommunizieren mussten, um ein Band zu knüpfen.

Smilla beginnt zu recherchieren. Unterstützung bekommt sie vom „Mechaniker“, der ebenfalls im Haus wohnt und eine Verbindung zu Jesaja hatte. Sie erfahren von einer Kryolithgesellschaft, die die Wohnung von Jesaja und seiner Mutter finanziert, ebenso wie eine Rente. Jesajas Vater kam zwei Jahre nach seiner Geburt bei einem Unfall auf einer Expedition für diese Gesellschaft um.

Langsam kristallisieren sich einige Namen heraus, von Forschern und Ärzten, und diese befinden sich immer im Zusammenhang mit Expeditionen nach Grönland. 1966 gab es eine zu einem bestimmten Punkt, die abgebrochen werden musste. Und 1991, die Expedition, bei der Jesajas Vater starb, wurde ebenfalls abgebrochen.

Die Zeichen verdichten sich zu einer bald stattfindenden dritten Expedition. Diese ist inoffiziell, und die Mannschaft des für Eismeere verstärkten Schiffes ist eine aus dem bunt zusammengewürfelten Untergrund. Smilla gelangt an Bord des Schiffes und somit dem Ziel der Expedition immer näher… aber wird es ihr gelingen, herauszufinden, was man dort zu finden hofft, und warum Jesaja sterben musste? Wem kann sie trauen? Das, meine lieben Leser, bitte ich Euch doch, selbst herauszufinden. Es lohnt sich unbedingt, und es kommt keine Langeweile auf!

Fräulein Smilla weiß, wie man sich hier sicher bewegt

Neben der spannenden Geschichte gibt es aber noch andere Aspekte, die das Buch lesenswert machen. Hoeg erschuf eine durchaus sympathische Heldin, die Grönländerin ist und bis zu ihrem zwölften Lebensjahr dort auf- und mit der Natur des Landes und den Gegebenheiten des Eises verwuchs. Dann wurde sie von ihrem Vater nach Dänemark geholt, was sie ihm nie verziehen hat. Auch konnte sie sich der anderen Kultur zwar anpassen, aber im Herzen ist sie immer noch Inuit.

Sie leidet unter dieser lebenslangen Zerissenheit, lebt für sich alleine, betreibt Gletscherstudien und traut niemandem so richtig. Sie ist aber zäh, und als sie in den Strudel der Ereignisse hineingezogen wird, kämpft sie sich durch. Nie würde sie sich eine Schwäche erlauben, und sie ist es Jesaja schuldig.

Des weiteren erfährt man auch einiges über Grönland, die Annektierung Grönlands durch Dänemark und den tiefgreifenden Wandel, den dies mit sich brachte. Und über das Eis. Eine mir eher unheimliche Substanz, aber, wenn man darin lesen kann wie Smilla, ist es auch eine verlässliche Substanz, wie es scheint.

So habe ich wieder einmal ein richtig gutes Buch gelesen, nein, mehr oder weniger verschlungen, und möchte jedem raten, es mir gleich zu tun. Ich habe mir sagen lassen, die Verfilmung sei auch großartig, also werde ich mir auch diese bald anschauen und darüber berichten.

9 Gedanken zu „Buch #16: Peter Hoeg – Fräulein Smillas Gespür für Schnee

  1. Ich habe nur die Verfilmung gesehen und kann dir bestätigen, dass sie tatsächlich sehr gut ist – aber das ist natürlich meine unvoreingenommene Sicht, mir ist bewusst, dass das Urteil meistens anders ausfällt, wenn man die Romanvorlage kennt und während der Lektüre eigene Bilder erschaffen hat, sodass der Film kaum die Erwartungen erfüllen kann.
    Wie dem auch sei, du hast mich mit deiner Rezension erinnert, dass es das Buch gibt, und da ich mich ohnehin nicht mehr an die Auflösung erinnere, geht mir auch nichts an Spannung verloren 🙂

    Like

    • Ich bin wirklich gespannt auf die Verfilmung, manchmal klappt das ja ganz gut 🙂
      Und spannend ist es allemal, es dauert sehr lange, bis man weiß, worauf es hinausläuft – eigentlich fast bis zum Schluss. Und ich mag es, wenn ich ein bisschen knobeln und mitarbeiten muss 🙂 Ich denke, mit dem Buch kann man nichts falsch machen, da in der Verfilmung ja zumindest immer etwas verloren geht.

      Like

  2. Vielen Dank, dass du auf dieses wunderbare Buch hinweist.
    Peter Hoeg hat mit diesem Werk einen grossen Roman geschrieben, danach wurde es dementsprechend ziemlich ruhig um ihn. Es ist ja bekanntlich schwierig, an einen so grossen Erfolg anzuknüpfen. Den Film habe ich auch einmal gesehen, aber es ist so lange her, da geht es mir wie caterina, dass mir das Ende nicht mehr haften geblieben ist. Darf ich nur noch einen kleinen Hinweis geben? „Eskimo“, diese Bezeichnung wird von den arktischen Bewohnern nicht mehr gerne gehört, denn sie wird als beleidigend empfunden. Meist wird für diese Volksgruppen das Wort Inuit verwendet, auch wenn dieses Wort nicht in allen arktischen Sprachen vorhanden ist.

    LG buechermaniac

    Like

    • Vielen Dank, da hast Du natürlich recht. „Eskimo“ wurde zwar auch verwendet, aber eher in einer negativen Weise. Werde das gleich ändern, da das dort natürlich nicht passt.
      Ansonsten bin ich immer froh, wenn ich auf ein gutes Buch stoße und dass andere das auch so sehen!

      Like

  3. Hallo, war erstaunt über die aktuelle Besprechung. Ich habe das Buch vor vielen Jahren gelesen und danach auch den Film gesehen. Vom Film war ich nach der geringen Zeitspanne zwischen Buch und Film erst mal sehr enttäuscht. Aber das lag hauptsächlich an der Hauptdarstellerin Julia Ormond. Zu schön und ohne Ecken und Kanten – das war nicht „meine“ Fräulein Smilla, welche ich mir ganz anders vorgestellt hatte. Aber das Buch ist KLASSE!

    Like

    • Ich habe den Film noch nicht gesehen, aber gehört, dass er eigentlich ganz gelungen sein soll… aber wenn zwischen Buch und Film nur sehr wenig Zeit liegt, habe ich auch meistens große Schwierigkeiten mit der Verfilmung. Und ja, das Buch ist klasse, ich habe es auch gerade verliehen, damit andere das auch rausfinden können 🙂

      Like

  4. Ich habe „Smilla“ neulich zum zweiten Mal gelesen und war erneut enttäuscht. Mir ist die Story zu lang und auch zu konstruiert.
    Zum Glück hatte Smilla ihren berühmten Arzt-Vater, sonst hätte sie wohl nie etwas über den Guinea-Wurm erfahren… Und, noch so ein Glück, reich war er auch – da kann man schon mal mit Geld und Beziehungen aushelfen.
    Die Schiffspassage gen Grönland erschien mir definitiv zu lang erzählt, speziell die detailreiche Schilderung der diversen Schiffsverstärkungen. Muss man wohl an der Küste geboren sein, um so was zu mögen.
    Interessant hingegen wurde es meist, wenn der Grönland-Dänemark (=Inuit-Europäer)-Gegensatz geschildert wurde, das Thema hat man ja normalerweise nicht so auf dem Radar.
    Zum Thema kultureller Unter- bzw. Verwerfung in der Arktisregion gibt es allerdings auch etwas Besseres, nämlich „Atomstation“ von Halldór Laxness (Nobelpreis 1955 und ausnahmsweise mal verdient).
    Insgesamt für einen Thriller doch sehr zäh geschrieben, zu viele Nebenschauplätze. 2 von 5 Sternen m.E., jetzt geht das Buch zu Oxfam.

    Like

    • So unterscheiden sich die Geschmäcker :-)Ich habe es sehr gerne gemocht, wie Du wohl gesehen hast. Aber ich kann immer nur wieder betonen, dass das ja gerade das Schöne ist, und sich über Geschmack nicht streiten, wohl aber vortrefflich diskutieren lässt 🙂 Dafür, dass Smilla zwar genügend Mittel hatte, fehlte ihr an anderen Ecken und Enden so manche Kompetenz. So hat jeder seine Dinge, die er interessant oder eben nicht findet. Halldór Laxness liegt zwar noch in weiter Zukunft, steht aber definitiv auf der erweiterten Liste 🙂
      Nochmal nachgesehen: nicht auf der erweiterten, sondern auf der definitiven Liste. Dann werde ich den Vorschlag wohl in nicht allzu ferner Zukunft aufgreifen 🙂

      Like

  5. Klar. Wenn wir alle denselben Geschmack hätten, gäbe es keine Diskussionsthemen mehr. 😉
    PS der Laxness ist eher ein schmales Werk, aber realistischer und – fand ich – deswegen unangenehmer, gerade beim Thema Fremdbestimmung, Kolonisation etc.

    Like

HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR (HINWEISE ZUR PRÜFUNG VON SPAM-KOMMENTAREN UND SPEICHERUNG DER IP-ADRESSE: SIEHE DATENSCHUTZERKLÄRUNG)

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..