Buch #29: James Joyce – Ein Porträt des Künstlers als junger Mann

Ein Porträt des Künstlers als junger Mann ist James Joyce‘ erster Roman, er wurde 1916 veröffentlicht. Hierin wird eine irische katholische Kindheit und Jugend beschrieben, die teilweise autobiographische Züge aufweist.

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Joyce‘ alter Ego Stephen Dedalus wächst um die Jahrhundertwende in Irland auf. Dieses ist erzkatholisch, und auch Stephen Dedalus besucht eine Klosterschule. Das irische Leben ist also geprägt vom Glauben, und die andere Seite ist die Politik, d.h. die Abgrenzung zu England.

Stephens Vater ist ein wohlhabender Mann, als er ein kleiner Junge ist, doch er ist auch ein Traumtänzer, und eines Tages macht er bankrott. Daraufhin wird Stephen als derjenige auserkoren, der die Familie vertritt; als einziges Kind bekommt er eine ordentliche Schulbildung. Der Rest der Familie rutscht immer tiefer in die Armut ab.

Doch als Stephen heranwächst, geht es ihm wie wohl den meisten jungen Männern – er entdeckt seine Sexualität. Diese jedoch – egal in welcher Form – wird den Jungen als Todsünde gepredigt, was im Endeffekt dazu führt, dass Stephen sich schon in der Hölle wähnt. Er geht fast zugrunde an der Diskrepanz zwischen dem Verlangen seines Körpers und dem schlechten Gewissen, das die Kirche ihm bereitet.

In der Woche des Heiligen der Schule gibt es keinen Unterricht, dafür aber lange Stunden in der Kapelle, in denen ein Priester ihnen von Himmel und Hölle predigt. Stephen geht daraufhin zur Beichte und kehrt sein Leben um, er betet nur noch und versucht seinen Körper durch geistige Anstrengung unter Kontrolle zu halten. Dies gelingt ihm schließlich so gut, dass man ihm nahelegt, selber Priester zu werden.

Nun erwacht er aus seinem Wahn und sieht ein, dass das nicht das Leben ist, das er führen möchte. Gegen den Wunsch seiner Eltern, vor allem dem seiner Mutter, verlässt er die Klosterschule und geht ans College. Er will Künstler werden, darüber ist er sich inzwischen im Klaren.

Doch noch immer kollidiert er mit der Kirche, wenn seine Mutter möchte, dass er zur Kommunion geht und er mit seinem Glauben hadert. Und auch politisch fühlt er sich nicht in seinem Land zurecht. So beschließt er, sein Glück im Ausland zu suchen…

Soweit zum Inhalt des Buches, der einen zunächst nicht sonderlich zu faszinieren vermag. Um zu verstehen, was für ein großartiges Buch das Porträt ist, muss man anfangen zu lesen. Diese einmalige Sprache ist es nämlich, die das Buch zwar nicht leicht zu lesen macht, dafür aber den Leser unglaublich reich. Selten habe ich mir so viele Zitate herausgeschrieben, und diese werde ich nun immer bei mir haben.

Doch nicht nur die Zitate, die Beschreibung der Hölle zum Beispiel auch. Selbst ich als nichtgläubiger Mensch habe nun Angst vor der Hölle, diese Passage ist einfach genial. Und auf einmal versteht man, was für ein Sakrileg Stephen begeht, wenn er sich von der Kirche abwendet. Er geht das Risiko vollkommen bewusst ein, für immer und ewig in der Hölle zu schmoren. So hat er es sein Leben lang gehört, und das wird er auch nie wieder los werden, das fließt in seinen Adern.

„Die Boshaftigkeit, wie ohnmächtig sie immer ist, von der diese Dämonenseelen besessen sind, ist ein Übel von grenzenloser Ausdehnung, von unbegrenzter Dauer, ist ein furchtbarliches Stadium der Sündhaftigkeit, das wir kaum begreifen können, sofern wir uns nicht stets die Ungeheuerlichkeit der Sünde vor Augen halten und den Haß, mit dem Gott sie haßt.“ (146)

Und dennoch weiß er, dass er seinen Weg gehen muss, entgegen aller Widerstände. Er hat sicherlich Angst, aber auch diese kann ihn nicht daran hindern, auszubrechen.

„Die Universität! So war er über den Anruf der Wächter denn hinaus, die die Hüter seiner Knabenzeit gewesen waren und getrachtet hatten, ihn bei sich zu behalten, auf daß er ihnen untertan wäre und ihren Zielen diene. Stolz, auf Befriedigung folgend, hob ihn hoch wie lange langsame Wellen. Das Ziel, dem zu dienen er geboren war, ohne es doch schon zu sehen, hatte ihn auf ungesehnem Pfad geführt, um zu entkommen: und jetzt machte es ihm noch einmal Zeichen und ein neues Abenteuer sollte sich vor ihm auftun.“ (185)

Ein Porträt des Künstlers als junger Mann ist meiner Ansicht nach ein ganz großes Buch. Ich kann nachvollziehen, dass Joyce so viele bedeutende Autoren beeinflusst hat (man denke nur an Samuel Beckett), denn diese Sprache ist etwas ganz Besonderes. Es ist kein leicht zu lesendes Buch, man muss sich darauf einlassen, aber dafür wird man auch mit etwas ganz Besonderem belohnt.

Ich wurde nun schon mehrfach gewarnt, dass das Porträt Joyce‘ zugänglichster Roman sei, und bin schon sehr gespannt auf Finnegan’s Wake und Ulysses. Ich werde auf jeden Fall mit einer positiven Einstellung an diese Werke herangehen, da ich mir doch erhoffe, wieder mit dieser großartigen Sprache belohnt zu werden.

James Joyce: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übersetzt von Klaus Reichert.

28 Gedanken zu „Buch #29: James Joyce – Ein Porträt des Künstlers als junger Mann

  1. Hab ich dieses Jahr auch gelesen. Keine leichte Kost auf jeden Fall. Gerade die Sprache ist schon sehr besonders (und macht es einem als Leser nicht leicht!)
    Dann wünsch ich dir mal viel „Erfolg“ für Joyces andere Werke 😉

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  2. Seit Jahren trage ich den Wunsch in mir, „Ulysses“ zu lesen, seit einigen Wochen ziert nun auch eine gebrauchte Suhrkamp-Ausgabe das „Noch-zu-lesen-Regalfach“… ich habe nur soviel Respekt davor, insbesondere vor der Sprache. Deine Besprechung zum „Porträt“ macht mir Mut, es einfach zu versuchen und zu schauen, was passiert.

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    • Ich denke, ich werde auch so herangehen, dass ich einfach mal schaue, was passiert. Es scheint ja auf jeden Fall ein ziemlicher Brocken zu sein. Aber wir können nicht mehr, als es versuchen, und vielleicht werden wir ja auch positiv überrascht?!

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  3. Leider habe ich das Porträt erst nach dem Ulysees gelesen. Ich wünschte, es wäre wie bei dir andersherum, denn der Dedalus des Wälzers ist sehr schwer zugänglich. Das Porträt macht noch etwas mehr Freude zu lesen. Der Ulysees-Roman startet mit ihm und einer sehr anspielungsreichen, um nicht zu sagen anspielungsgeschwängerten Sprache. (Da musste ich ungefähr jeden zweiten Satz mindestens ein Wort nachgucken. Kann ja im Prinzip nicht schaden, ist aber dem Lesefluss nicht so wahnsinnig zuträglich. Zum Glück ändert sich die Sprache mit dem Auftauchen von Bloom, wird später aber noch abgedrehter – Seitenweise Heiligennamen, die aneinander gereiht sind.) Immerhin bist du jetzt hochmotiviert… Viele Grüße, Mila

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    • Naja, hochmotiviert… 🙂 Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt darauf, was mich erwartet. Das mit dem Lesefluss kann ich nachvollziehen, ähnlich ging es mir beim Unendlichen Spaß. Allerdings habe ich hier irgendwann darauf verzichtet, alles nachzugucken, um den Lesefluss zu erhalten. Mal sehen, wie das bei Joyce laufen wird.

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  4. Ich fürchte, ich war zu jung, als ich das Porträt gelesen habe, damals (ich war 19 oder 20) ging es vollkommen an mir vorüber, nicht einmal die Sprache hat mich begeistern können, dabei ist gerade die Sprache das, was mich an Literatur vor allem reizt.

    Deine Rezension sagt mir, dass ich es unbedingt noch einmal versuchen sollte, andererseits können mich die von dir ausgewählten Zitate nur bedingt überzeugen, mir ist der Stil wohl doch etwas zu… barock? Falsches Wort, aber du ahnst bestimmt, was ich meine.

    Ulysses habe ich ein paar Jahre später im Rahmen eines Seminars gelesen, anfangs sehr beglückt, schon bald habe ich mich aber verzettelt und die Geduld verloren. Hier ist ein zweiter Versuch auf jeden Fall geplant. Dir viel Glück und viel Vergnügen bei deiner weiteren Entdeckung von James Joyce!

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    • Hm, ich bin inzwischen wirklich neugierig auf den Ulysses. Schade, dass Dir die Sprache von Joyce nicht so zusagt, aber da sieht man mal wieder, dass jeder seine Vorlieben hat, was ja auch eine schöne Sache ist 🙂 Ich glaube aber auch, dass ich mit 19, 20 nichts von der Lektüre mitgenommen hätte. Dann wünsche ich Dir auch viel Glück mit Deinem zweiten Versuch beim Ulysses, und bin gespannt, was wir davon halten werden!

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  5. Der Joyce steht auch schon länger in meinem Regal und ich bin ewig drumherumgeschlichen, dachte immer, dafür müsse ich wirklich Zeit und Muße haben und vermutlich stimmt das auch, wenn ich mir deine Rezension so ansehe. Aber gut, dass du ihn mit wieder ins Gedächtnis gerufen hast, den James. (:

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    • Wenn Du mit dem Porträt anfängst, geht es noch mit der Zeit, das ist ein relativ schmales Buch. Vielleicht etwas für ein Wochenende auf der Couch 😉 Falls Du es in Angriff nimmst, wünsche ich viel Spaß!

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  6. Habe auch zuerst Ulysses gelesen, dann die Dubliners und zuletzt das Porträt.. nun ja, wie es halt so kommt. Thematisch geht es ja immer um die Auseinandersetzung mit dem tief verhafteten (irischen) Katholizismus, das ist nicht immer angenehm oder auch nur verständlich. Habe selbst mal eine Weile in Dublin gelebt und dies als überzeugter Atheist, da bin ich auch im Jahre 2000 als Erwachsener teilweise überraschend böse angeeckt.
    Die Iren sind da irgendwie gefangen in ihrer Religion, das liegt auch an dem Freiheitskampf gegen die britischen Besatzer, der ansonsten wohl nie erfolgreich verlaufen wäre. So fällt die Loslösung von überkommenen Traditionen und vor allem Moralvorstellungen auch heute noch sehr schwer. Z.B. wurde die Scheidung erst Mitte der 90er Jahre erlaubt – nach einer Volksabstimmung mit 49% Gegenstimmen…nun ja.
    Der Ulysses ist teilweise definitiv anstrengend zu lesen, das sollte vorher klar sein. Muss man sich wirklich vor-nehmen wollen.

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    • Ja, der irische Katholizismus verlangt mir auch einiges an Verständnis ab. Da ich aber katholisch aufgewachsen bin, ist mir nicht alles fremd. Dass Du angeeckt bist, kann ich mir aber gut vorstellen, das würde mir wohl auch passieren. Und ja, dass der Ulysses keine leichte Aufgabe ist, ist mir schon klar. Aber irgendwann wird der richtige Moment für ihn kommen.

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    • Thematisch ähneln sie einander sehr, ja, aber ich finde, dass sie auch aufeinander aufbauen. Deshalb glaube ich, dass man sich so organisch an den Ulysses heranlesen kann. (Und vielleicht eines Tages auch an Finnegans Wake, das zu lesen ich mich noch nicht getraut habe. 😉 )

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      • Ja, da kommt wohl noch einiges 🙂 Warum hast Du Dich noch nicht an Finnegans Wake getraut? Ist das noch heftiger als Ulysses? Wie auch immer, ich denke, Du wirst eher da anlangen als ich, da es mich im Moment auch nicht so fürchterlich dorthin treibt… aber wir werden sehen 🙂

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      • @ heftiger Finnegans Wake: Schau mal hier rein, das sagt schon alles. http://www.trentu.ca/faculty/jjoyce/fw-3.htm
        Der Inhalt tritt vielt weiter zurück als beim Ulysses, es geht (im Original) sehr um den Klang. Deshalb sollte man den Wake eigentlich nur laut lesen. Es gibt auch ein paar Aufnahmen von Joyce selbst, vor Jahren haben sie mal bei 2001 ne Kassette damit verramscht.

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      • Ich selbst bin u.a. wg. meiner eigenen Irlanderfahrungen dem Thema Auseinandersetzung mit dem dortigen Katholizismus inzwischen eher abgewandt 😉

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      • Ich denke, es ist ja nun jedem selbst überlassen, ob er sich mit einem Thema auseinandersetzen möchte oder nicht. Und selbst, wenn es das Hauptthema ist, heißt das ja nicht, dass man dies unterschreiben muss. Und der Katholizismus gehört nunmal zur irischen Lebenswirklichkeit dazu. Joyce setzt sich ja auch durchaus kritisch damit auseinander. Mich, auch als Atheisten, interessiert es jedenfalls.

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      • „Haupt“ bedeutet eben nicht alles. Und gerade bei Joyce gibt es enorm viele Facetten, die deutlich tiefer gehen als der simple Firnis. Mal davon abgesehen, dass ich mir auch Themen anschauen kann, denen ich persönlich nicht zugewandt bin. Ich kann schließlich auch Moby Dick genießen, ohne auf nem Walfänger anzuheuern oder Walfleisch zu futtern.
        Das hat also mit Merken oder Nichtmerken absolut nüscht zu tun.

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  7. @15:15h
    Von „unterschreiben“ war ja nie die Rede, ich bin ja selbst Atheist. Steht alles in meinem ersten Kommentar.
    Es wunderte mich nur, wenn jemand wie der Kommentator – jedenfalls laut Eigenaussage – diverse Joyce-Werke inkl. des anspruchsvollen und äußerst umfangreichen „Ulysses“ gelesen hat und am Hauptthema gar kein Interesse hat. Das muss doch ziemlich langweilig gewesen sein 🙂

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    • Dass Leute sich bei einer Diskussion über Joyce noch so echauffieren können, ist ja eigentlich ein gutes Zeichen.
      Gute Frau, nur weil ich persönlich mit dem Katholizismus nix am Hut habe, heißt das nicht, dass ich Bücher nicht genießen kann, die diese Mafiaorganisation (auch) thematisieren. Und ich möchte definitiv bestreiten, dass Joyce sich nur auf dieses eine Thema konzentriert hat. So billig ist sein Werk wirklich nicht.
      Für weitergehende Studien empfehle ich da unter anderem die Biografie von Ellmann und weitere Sekundärliteratur über Joyce’ Frau und Bruder.

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      • „Dass Leute sich bei einer Diskussion über Joyce noch so echauffieren können, ist ja eigentlich ein gutes Zeichen.“ – Ich echauffiere mich lediglich über Mitmenschen, die in ihrer selektiven Wahrnehmung nur das sehen was sie sehen wollen. Wie heißt es so schön: wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
        Aber: „Gute Frau“ – das ist zu viel der Ignoranz, Burschi. Persönliche Klärung gerne – verifizierbare Daten via PN. Weitere Antworten erspare ich mir.

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      • Okay, ich hab noch versucht freundlich zu bleiben, aber manche haben in ihrem Furor wirklich einen Balken vor dem Kopf.
        Du schreibst: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Richtig, und das bist du definitiv nicht.
        Deshalb solltest du genau lesen, was ich oben zum Katholizismus und Joyce schreibe. Aber ich wiederhole es auch gern noch mal: Ich selbst habe nix mit der Kirche zu schaffen, aber deshalb habe ich trotzdem Augen zum Gucken. Das hat nix mit selektiver Wahrnehmung zu tun, sondern mit persönlichen Ansichten, die sich mit einen Studien überlappen können, aber nicht müssen. Ich kann schließlich auch einen wild gewordenen Bienenschwarm beobachten und erforschen, ohne selbst eine Biene sein zu müssen. Mehr sehe ich da nicht zu klären.
        Und wenn du deinen Furor beruhigen möchtest, lies sowas hier: http://doctotte.wordpress.com/tag/karlheinz-deschner/

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