Buch #53: John le Carré – Der Spion, der aus der Kälte kam

John le Carré wurde am 19. Oktober 1931 in Poole, Dorset, unter dem Namen David John Moore Cornwell, geboren. Nach seinem Studium in Bern und in Oxford war er für den britischen Geheimdienst tätig, unter anderem vernahm er Menschen, die über den eisernen Vorhang geflohen waren. Später war er, unter anderem in Bonn und Hamburg, für den MI5 und den MI6 tätig. Hier schrieb er seine ersten Romane, 1964 quittierte er den Dienst und widmete sich professionell dem Schreiben. Er war zweimal verheiratet und hat insgesamt vier Kinder. Im Jahr 2011 gab er der Bodleian Library sein gesamtes literarisches Archiv zur Aufbewahrung.

spion, kälteDer Spion, der aus der Kälte kam war le Carrés internationaler Durchbruch, er erhielt den Gold Dagger und den Edgar Award sowie den Somerset Maugham Award und 2005 den Dagger of Daggers. Seit seiner Veröffentlichung war der Roman ein Bestseller und ist in zahlreichen Auflagen erschienen.

Der Roman handelt von Alec Leamas, der im britischen Geheimdienst tätig und für Ostdeutschland zuständig ist. Hier hat er ein Spionage-Netz aufgebaut, das aber von seinem Widersacher Mundt aufgedeckt wurde. Die Handlung beginnt damit, dass Mundt den letzten verbliebenen Spion auf den letzten Metern über den Grenzübergang erschießen lässt. Leamas kehrt nach England zurück, wo er ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten hat und mit diesem einen Plan fasst. Nach außen hin wird er aufs Abstellgleis geschoben, er bekommt einen Bürojob, der ihn zu Tode langweilt, beginnt zu trinken und wird schließlich entlassen. Von nun an geht die Spirale abwärts, er beginnt stark zu trinken, hat eine Affäre mit einem Mädchen, das ihm gleichgültig zu sein scheint und landet schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung im Knast.

Als er entlassen wird, fängt der ostdeutsche Geheimdienst an, sich für ihn zu interessieren. Könnte es möglich sein, dass er überläuft und die DDR mit wertvollem Material versorgt? Leamas lässt sich auf Gespräche ein, verfolgt aber sein eigenes Ziel: Hans-Dieter Mundt. Doch dieser ist ein sehr mächtiger Mann, mächtiger, als Leamas anzunehmen scheint. Und dann kommt auch wieder das Mädchen ins Spiel, anständige Menschen kämpfen gegen unanständige Menschen, Gut gegen Böse, und wer vermag in dieser Welt noch zu sagen, wer wer ist? Wie wird Alec Leamas sich gegen Mundt behaupten können? Wird er überhaupt eine Chance haben? Und das Mädchen schützen können?

Der Spion, der aus der Kälte kam ist insofern anders als viele Krimis, als er auf Schwarz-Weiß-Malerei verzichtet. Die Geschichte ist komplex, und es scheint, das Geheimdienstmilieu ist nur auf Resultate aus, zu welchem Preis auch immer sie erreicht werden.

„Ich hasse das alles, ich bin es leid. Aber es ist die Welt, es ist die Menschheit, die verrückt geworden ist. Wir wären doch nur ein kleiner Preis. Aber es ist überall das gleiche, Menschen, betrogen und irregeführt, ganze Leben weggeworfen, Menschen erschossen und im Gefängnis, ganze Gruppen und Klassen abgeschrieben – für nichts.“ (248)

Es ist immer schwierig, einen Kriminalroman zu beschreiben, ohne allzu viel von der Handlung zu verraten. Dieser bleibt jedoch bis zum Ende so in seine Wendepunkte verstrickt, dass man nie weiß, woran man ist. In einer allzu nüchternen Sprache wird der Verbündete zum Feind, der Feind zum Verbündeten gemacht, und wieder umgekehrt. Die nüchterne Sprache steht im Kontrast zu den plötzlichen Gefühlseruptionen, dann wird geschrieen und gebrüllt, und dies kommt immer plötzlich. Aber eben durch die Schlichtheit und den vielfach nur beschreibenden Stil entfaltet sich eine sehr beklemmende Stimmung, und man wähnt sich tatsächlich an der Seite einer der Figuren im Trenchcoat, geht mit ihnen durch das London der Sechziger Jahre, weiß aber nie genau, wo man ist und woran man ist, ob der Feind sich gleich als Freund zu erkennen gibt oder der Freund ein Verräter ist.

Spannend ist diese Geschichte, auch wenn mir Raymond Chandlers desillusionierter Protagonist besser gefallen hat. Aber wer einen Samstag oder Sonntag mit einem guten Buch und einer wendungsreichen Geschichte verbringen möchte, ist hier gerade recht beraten. Ob man viel Sympathie für die handelnden Personen empfindet, oder in ein Wechselbad der Gefühle eintaucht, das mag bei jedem Leser anders sein. Auf jeden Fall wird jeder Leser gut unterhalten werden.

John le Carré: Der Spion, der aus der Kälte kam. Aus dem Englischen von Manfred von Conta. Econ Ullstein List GmbH & Co. KG, München 2001, OA aus dem Jahre 1963. 256 Seiten

11 Gedanken zu „Buch #53: John le Carré – Der Spion, der aus der Kälte kam

  1. Nice review, June! I have wanted to read this for a long time. I have read only one John Le Carre book – ‚Smiley’s People‘ – and liked it. But I think ‚The Spy Who Came in from the Cold‘ is better. I have also seen the movie version of ‚Tinker, Tailor, Soldier, Spy‘ and liked it. Le Carre has a very unique way of bringing that era back to life evoking the political atmosphere of that time so realistically. Thanks for your wonderful review.

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    • Thank you, Vishy! I haven`t seen one of the films yet, but I imagine that it`s great stuff to be made into one. I believe, there are three „Smiley“-books, and the Spy is the third one, so you could read them in their order 🙂 I hope you will enjoy them at one point, have a very nice sunday!

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  2. Pingback: [1001 Bücher] Buch #53: John le Carré – Der Spion, der aus der Kälte kam - #Literatur | netzlesen.de

  3. Guten Abend! 🙂
    Saubere, informative Rezension! Das ist ein schöner Einblick in Le Carrés Art, zu schreiben. Ich frag mich schon ewig, ob ich es mit ihm mal probieren soll oder ob nicht doch die Handlung zu kompliziert und der Ton zu nüchtern ist, aber diese Rezension hat mich jetzt doch neugierig gemacht. Das Zitat ist auch sehr schön gewählt! Muss man erstmal schaffen, den Kernsatz des Buchs aufzustöbern, ich bin darin nicht so gut.
    viele Grüße
    Philipp

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    • Vielen Dank! Manchmal überfällt so ein Satz einen auch 🙂 Ich denke, Du brauchst Dir keine Gedanken darüber zu machen, ob es zu verwirrend ist, es ist nämlich wirklich gut zu lesen, trotz der vielen Wendungen. Probier es einfach mal, es wird Dir bestimmt Spaß machen! Einen schönen Sonntag!

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  4. Aus irgendeinem Grund konnte ich John Le Carré Ü-BER-HAUPT nicht leiden und wäre daher nie auf die Idee gekommen etwas von ihm zu lesen, aber hmmm ich glaube, Du hast mich überzeugt, ich gebe ihm zumindest mal ne Chance 😉

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    • Warum konntest Du ihn denn nicht leiden? Bisher ist der in meinem Kosmos noch nicht so richtig aufgetaucht… es ist auf jeden Fall eine spannende Geschichte, aber mit Antipathie lohnt es sich vielleicht nicht, da gibt es Spannenderes 🙂

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