[Diese Rezension wurde in der Annahme verfasst, dass dem werten Leser gewisse historische Fakten vertraut sind und deshalb keine Spoiler vorliegen.]
Wir sind wieder zurück in Kingsbridge – zehn Jahre nach Die Tore der Welt und 27 Jahre nach Die Säulen der Erde legt Ken Follett mit Das Fundament der Ewigkeit seinen dritten Kingsbridge-Roman vor. Zweihundert Jahre sind vergangen, Mary Tudor ist gerade gestorben und ihre Nachfolge teilt die Bevölkerung Englands – soll die protestantische Elizabeth England regieren, oder die katholische Maria Stuart, Königin von Schottland?
Von dieser Ausgangssituation aus führt Ken Follett seine Leser wieder nach Kingsbridge, wo die Kathedrale langsam verfällt, seit Heinrich VIII. den Katholizismus abschaffte und auch die führenden katholischen Familien einiges an Einfluss eingebüßt haben. Zum Vorteil jedoch der Protestanten und den nach beiden Seiten hin offenen Menschen, wie Ned Willard, Kaufmannssohn einer der führenden Familien, die nicht ohne Neider auskommen. Es kommt, wie es kommen muss, Ned, der zu Hause so viel verliert, bekommt ein Angebot, in die Dienste Elizabeths zu treten und wird einer ihrer engsten Vertrauten.
Er wird ihr Spion, in ganz Europa. Und so entrollt Follett wieder einmal ein Panorama eines Jahrhunderts, diesmal des 16., und zeigt an verschiedenen Stellen und Personen die Verwicklungen der damaligen Zeit. Da sind Pierre Aumande de Guise und Sylvie Palot, die am eigenen Leib die Religionswirren in Frankreich erleben, da ist die Familie Cruz in Spanien, die mit der Inquisition konfrontiert wird, da ist die Familie Wolman in den Niederlanden, die in den Krieg um die Spanische Niederlande hereingezogen wird, und da ist Bella, die wir auf Hispaniola kennenlernen, Ebrima, der aus Afrika stammt und natürlich Schotten und Engländer beider Religionen.
Es ist ein aufregendes, gewalttätiges Jahrhundert, und wer denkt, Glaubenskriege seien etwas Neues, möge hier darüber lesen, wie Christen sich gegenseitig abgeschlachtet haben. Elizabeth führte eine Politik der Toleranz ein, aber diese war von beiden Seiten unerwünscht, da jede sich im absoluten Recht sah. Die vielen Toten auf beiden Seiten sprechen eine andere Sprache.
Wiederum hat Follett Figuren geschaffen, die mehrdimensional sind, was die Zerrissenheit der handelnden Personen widerspiegelt. (Fast) niemand ist als ganz gut oder böse einzuordnen, viele werden Opfer ihrer Zeit und Umstände, die an den Figuren aufgearbeitet werden. Und so ist man auch hier wieder nach der Lektüre um einiges klüger, kann Zusammenhänge einordnen, kann Handlungen nachvollziehen oder in einen zeitlichen Kontext stellen.
Das mag ich so an diesen historischen Romanen – Follett schreibt unterhaltsame Geschichtsstunden, hält sich aber meistens aus der Wertung heraus. Der Leser muss hier für sich selbst entscheiden, ob und auf welche Seite er sich stellt (diese Leserin hält sich auch raus). War es richtig oder wenigstens nachvollziehbar, warum Maria Stuart ihren Kopf verlieren musste, wie konnte die Bartholomäusnacht geschehen – welche Ereignisse konnten zu solch einer Grausamkeit hinführen?
Aber auch einfache Dinge wie das alltägliche Leben, Neid und Gier und Stellung in der Bevölkerung, die Arbeit eines Spions oder den Alltag auf einem (Piraten)Schiff lernt man kennen – man wird hier um ein paar Jahrhunderte zurückversetzt. Mein persönliches Highlight war die Schlacht gegen die Spanische Armada, aber es gab so viele „Höhepunkte“ in diesem Jahrhundert, der Leser möge sich seinen Favoriten selbst herauspicken.
Denn ja, wieder einmal empfehle ich Ken Follett, der Geschichte so anschaulich und unterhaltsam verpackt, dass man atemlos aus einem anderen Jahrhundert auftaucht und nicht aus einer Geschichtsstunde. Wagen Sie sich in den dunklen, langen Winternächten wieder nach Kingsbridge und fiebern Sie mit den Figuren mit in diesem düsteren, schwierigen 16. Jahrhundert.
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Ken Follett: Das Fundament der Ewigkeit. Übersetzung aus dem Englischen von Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher. Bastei Lübbe AG, Köln. 2017. OA: A Column of Fire. Viking, 2017. 1162 Seiten.
Ich danke Bastei Lübbe für das Rezensionsexemplar.
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