Buch #17: Jonathan Safran Foer – Alles ist erleuchtet

Dieses Buch hat zwei Emotionen bei mir geweckt: Ratlosigkeit und Wut. „Alles ist erleuchtet“ ist Foers Erstling aus dem Jahre 2002, und ich habe vor einigen Jahren sein zweites Buch, „Extrem laut und unglaublich nah“ gelesen und fand es wundervoll. Ebenso, wie ich es gut finde, dass jemand, der eine „Stimme“ hat, ein Buch darüber schreibt, ob es sinnvoll ist, Tiere zu essen. Man kann also sagen: ich hatte einige Erwartungen.

Nun also sein erstes Buch. Um das einmal vorweg zu nehmen: sprachlich ist es wundervoll. Ich mag es auch, wenn der Leser gefordert wird. Dies ist hier der Fall, da es sich um drei Geschichten in einer handelt.

Die Geschichte, die alles zusammenhält, ist die, dass Jonathan Safran Foer mit 20 in die Ukraine fährt, um die Frau zu finden, die seinen Großvater vor den Nazis gerettet hat, da ja auch er ihr sein Leben zu verdanken hat. In der Ukraine hat er einen Führer und Übersetzer, Alex. Dieser, sein Großvater und der Hund Sammy Davis Jr. Jr. machen sich also auf die Suche.

Die zweite Geschichte besteht aus Briefen, die Alex Jonathan schreibt, und in denen er Teile der Suche aufarbeitet. Hierzu gehören Übersetzungen, die in der kurzen Zeit verloren gingen und nun ausführlich nachgeholt werden, die Geschichte bekommt mehr Hintergrund, und auch Alex erzählt seine Geschichte, da Foer für ihn ein „Held“ ist und er ihm alles anvertraut, was er sonst niemandem erzählen kann.

Die dritte Geschichte nimmt im 18. Jahrhundert ihren Beginn, in Trachimbrod, dem Ort, in dem auch Jonathans Großvater gelebt hat, bevor er in die USA flüchtete. Sie erzählt vom jüdischen Leben im Dorf, ist komisch, ist tragisch, und endet am 18. März 1942, dem Tag, als die Nazis einmarschieren.

Es ist also wie ein Puzzle, und dass Alex‘ Englisch so angelegt ist, als sei er wirklich Ukrainer und der deutschen englischen Sprache nicht ganz mächtig, ist recht anstrengend, verleiht der Geschichte aber auch „Glaubwürdigkeit“. Es passiert unheimlich viel, auf der Fahrt nach Trachimbrod, das nicht mehr existiert, wo sie eine alte Frau finden, die als einzige Überlebende die Hinterlassenschaften aller gesammelt hat und nun einige Antworten für Jonathan, Alex und seinen Großvater hat. Und als herauskommt, dass auch der Großvater nicht unbeschadet durch die Nazi-Zeit gekommen ist.

Wenn Alex Jonathan von seinem Leben schreibt, und seine Träume und Hoffnungen preisgibt, Jonathan wiederum Alex Kraft gibt und ihn dazu bringt, sich zu behaupten… das ist schon großartig.

Auch das Stilmittel, das Foer benutzt, wenn die Nazis eintreffen, und der Großvater seine Geschichte erzählt – er läßt jede Interpunktion sausen und macht nur gelegentlich Satzpunkte, schreibt Worte aneinander, so dass man meint, es sei atemlos erzählt worden – das verleiht der Szene einen unglaublichen Nachdruck.

Also, was das alles anbelangt, würde ich das Buch unbedingt empfehlen.

Aber. Ja, es gibt ein aber. Ein großes, fettes Aber. Es handelt sich um eine Geschichte aus dem alten Trachimbrod. Brod hat den Kolker geheiratet. Sie sind sehr glücklich miteinander bis zu dem Tag, als dem Kolker im Sägewerk eine Säge den Kopf spaltet. Er überlebt mit dem Blatt im Kopf, hat aber nunmehr zwei Persönlichkeiten. Die eine ist die, die Brod liebt und ihr ein guter und liebevoller Ehemann ist.

Die andere ist die, in der er Brod prügelt, beißt, tritt, auf jede erdenkliche Art misshandelt. Und Brod erträgt alles mit dem Gedanken, dass sie es auch nicht anders verdient habe. Dass es so sein müsse. Sie holt sich ihre Prügel quasi ab. Irgendwann später wird noch gesagt werden, dass dies die wahre Form der Liebe sei.

Und das regt mich auf. Ich habe schon alles Mögliche an Unmöglichkeiten gelesen. Mord, Totschlag, Folter, den ganzen menschlichen Abschaum. Ich denke auch, dass dies ein Thema ist, das angesprochen werden muss, denn häusliche Gewalt gab es immer und wird es wohl leider immer geben.

Aber diese Art und Weise hat mich angewidert. Es klingt so wie „er kann ja nichts dafür.“ Und „so ist das in einer Ehe, man muss sowas von seinem Mann erdulden.“ „Es gibt halt Opfer und Täter.“ „So war es schon immer, warum sollte es jetzt anders sein.“ Und dagegen spreche ich mich vehement aus. Das ist nicht das, was ich von guter Literatur erwarte.

Und deswegen wird Herr Foer auch ganz unten auf meiner Liste landen. (Hinzugefügt 7.6.: Wie ich erfahren habe, sehe ich die Situation vielleicht etwas harsch. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass man das Buch verschieden auslegen kann, ich fand die Szene schrecklich, andere fanden sie als zum Buch gehörig in das Thema passend. Darüber kann man streiten, und das gehört ja auch dazu, wenn man sich mit Literatur beschäftigt. Also, ich persönlich möchte das Buch nicht empfehlen, aber die Leute, die es tun, haben auch nicht ganz unrecht. Es ist ein gutes Buch, aber es hat eben – in meinen Augen – auch seine negativen Seiten.)

Auch wenn die Aufarbeitung der Geschichte gut gelungen ist, hat diese Geschichte in der Geschichte einen ganz, ganz bitteren Nachgeschmack hinterlassen.

Das mag man anders sehen (ich bin gespannt, ob es jemanden gibt, der das anders sieht und mich wissen lässt, warum), aber ich sehe es so. Gewalt als harmlos darzustellen geht in keiner Art und Weise. Nie.