Ken Follett – Kinder der Freiheit

713jq09haXL._SL1500_Dritter Teil der Jahrhundertsaga

Mit Kinder der Freiheit schließt Ken Follett seine großangelegte Saga ab. Diese begann mit Sturz der Titanen, das zur Zeit des Ersten Weltkriegs spielt, und wurde fortgeführt mit Winter der Welt, das die Zeit um den Zweiten Weltkrieg behandelt. Inzwischen sind die Mitglieder der Enkelgeneration die handelnden Personen.

 

Kinder der Freiheit beginnt 1961 mit dem Bau der Mauer. Es sind wiederum vier Familien, die in Russland, England, den USA und Deutschland leben und deren Geschichten anhand der großen politischen Ereignisse berichtet werden. Hier sind das in Deutschland die Nachkommen von Maud und Walter, Carla, deren Adoptivtochter Rebecca, Lilli und Walli. Sie werden durch den Bau der Mauer in Ostberlin eingeschlossen. Rebecca hat einen Stasioffizier geheiratet, was sich allerdings erst nach dem Bau der Mauer herausstellt, woraufhin sie ihn verlässt und in den Westen flieht. Hans wird ihr dies nie verzeihen und ihre zurückgebliebene Familie dafür bestrafen.

Walli flieht ebenfalls über die Mauer, nicht ahnend, dass seine Freundin, die nicht zum Treffpunkt erschienen ist, schwanger ist. Sie bleibt in der DDR, und die Mauer wird die Familie für lange Zeit trennen.

In England sind die Nachkommen der Williams-Familie in der Moderne angekommen, Evie, die Tochter, macht Karriere als Schauspielerin, während Dave, der Sohn, eine Popgruppe gründet, in der auch Walli Mitglied wird. Sie sind beide sehr erfolgreich, haben aber die Probleme, die Berühmtheit mit sich bringt, seien es Drogen, sei es soziale Verantwortung.

In Russland arbeitet Dimka, Grigoris und Katharinas Enkel, direkt für die Regierung. Seine Schwester, Tanja, arbeitet für eine Zeitung, was ihr Gelegenheit gibt, oft an Informationen aus erster Hand zu gelangen, aber auch gegen das System zu arbeiten. Hier bekommen wir quasi aus nächster Nähe die russische Perspektive des Kalten Krieges veranschaulicht, und dies ist oft genug mehr als gruselig, lässt die Kehle sich zusammenziehen, wenn man bedenkt, wie oft die Welt kurz vor einem Atomkrieg war.

Die andere Seite wird geschildert anhand von George Jakes, der Sohn, den Greg Peschkow mit der Schwarzen Jacky Jakes hatte. Dass er schwarz ist, ist wichtig, da die Rassenunruhen in den USA mit seiner Geschichte geschildert werden. Auch hier stehen einem oft Tränen in den Augen, wenn man bedenkt, was Menschen dafür unternommen haben, dass Schwarze nicht die gleiche Toilette benutzen oder an der gleichen Bar eine Cola bestellen dürften. George arbeitet für die Regierung, und somit wird die Geschichte von John F. Kennedy und Bobby Kennedy, dem Kalten Krieg, Martin Luther King, Richard Nixon und wie sie alle heißen, aus seiner Perspektive verfolgt.

Kinder der Freiheit komplettiert die Jahrhundertsaga, umfasst aber im Gegensatz zu den Vorgängern einen sehr großen Zeitraum. Und genau dies wird dem Roman zum Verhängnis. Nahm Follett sich in den ersten beiden Bänden Zeit, seine Figuren liebevoll zu entwickeln und die Ereignisse zu erklären und zu entwickeln, hatte ich nun den Eindruck, dass nur erzählt werden sollte, was geschah. Dies war wohl auch nötig, bedenkt man den langen Zeitraum. Aber keine der Figuren konnte mich für sich gewinnen. Hatte ich in den früheren Bänden noch mit den Figuren gehofft und gebangt, blieben mir hier alle Personen fern. Und so berührte mich außer dem kurz vor knapp abgewendeten Atomkrieg und der Geschichte der Rassenunruhen nichts und niemand so richtig.

Ich bin froh, einen Abschluss für die Geschichte bekommen zu haben, aber ich muss leider sagen, dass der erste Band der Trilogie mich am Meisten beeindruckt hat, dieser war wirklich gut. Ich denke, man sollte den Abschluss unbedingt lesen, aber seine Hoffnungen auf einem nicht so hohen Niveau halten, dann wird man auch nicht enttäuscht.

Ken Follett: Kinder der Freiheit. Aus dem Englischen von Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher. Bastei Lübbe, 2014.1211 Seiten.

Buch #53: John le Carré – Der Spion, der aus der Kälte kam

John le Carré wurde am 19. Oktober 1931 in Poole, Dorset, unter dem Namen David John Moore Cornwell, geboren. Nach seinem Studium in Bern und in Oxford war er für den britischen Geheimdienst tätig, unter anderem vernahm er Menschen, die über den eisernen Vorhang geflohen waren. Später war er, unter anderem in Bonn und Hamburg, für den MI5 und den MI6 tätig. Hier schrieb er seine ersten Romane, 1964 quittierte er den Dienst und widmete sich professionell dem Schreiben. Er war zweimal verheiratet und hat insgesamt vier Kinder. Im Jahr 2011 gab er der Bodleian Library sein gesamtes literarisches Archiv zur Aufbewahrung.

spion, kälteDer Spion, der aus der Kälte kam war le Carrés internationaler Durchbruch, er erhielt den Gold Dagger und den Edgar Award sowie den Somerset Maugham Award und 2005 den Dagger of Daggers. Seit seiner Veröffentlichung war der Roman ein Bestseller und ist in zahlreichen Auflagen erschienen.

Der Roman handelt von Alec Leamas, der im britischen Geheimdienst tätig und für Ostdeutschland zuständig ist. Hier hat er ein Spionage-Netz aufgebaut, das aber von seinem Widersacher Mundt aufgedeckt wurde. Die Handlung beginnt damit, dass Mundt den letzten verbliebenen Spion auf den letzten Metern über den Grenzübergang erschießen lässt. Leamas kehrt nach England zurück, wo er ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten hat und mit diesem einen Plan fasst. Nach außen hin wird er aufs Abstellgleis geschoben, er bekommt einen Bürojob, der ihn zu Tode langweilt, beginnt zu trinken und wird schließlich entlassen. Von nun an geht die Spirale abwärts, er beginnt stark zu trinken, hat eine Affäre mit einem Mädchen, das ihm gleichgültig zu sein scheint und landet schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung im Knast.

Als er entlassen wird, fängt der ostdeutsche Geheimdienst an, sich für ihn zu interessieren. Könnte es möglich sein, dass er überläuft und die DDR mit wertvollem Material versorgt? Leamas lässt sich auf Gespräche ein, verfolgt aber sein eigenes Ziel: Hans-Dieter Mundt. Doch dieser ist ein sehr mächtiger Mann, mächtiger, als Leamas anzunehmen scheint. Und dann kommt auch wieder das Mädchen ins Spiel, anständige Menschen kämpfen gegen unanständige Menschen, Gut gegen Böse, und wer vermag in dieser Welt noch zu sagen, wer wer ist? Wie wird Alec Leamas sich gegen Mundt behaupten können? Wird er überhaupt eine Chance haben? Und das Mädchen schützen können?

Der Spion, der aus der Kälte kam ist insofern anders als viele Krimis, als er auf Schwarz-Weiß-Malerei verzichtet. Die Geschichte ist komplex, und es scheint, das Geheimdienstmilieu ist nur auf Resultate aus, zu welchem Preis auch immer sie erreicht werden.

„Ich hasse das alles, ich bin es leid. Aber es ist die Welt, es ist die Menschheit, die verrückt geworden ist. Wir wären doch nur ein kleiner Preis. Aber es ist überall das gleiche, Menschen, betrogen und irregeführt, ganze Leben weggeworfen, Menschen erschossen und im Gefängnis, ganze Gruppen und Klassen abgeschrieben – für nichts.“ (248)

Es ist immer schwierig, einen Kriminalroman zu beschreiben, ohne allzu viel von der Handlung zu verraten. Dieser bleibt jedoch bis zum Ende so in seine Wendepunkte verstrickt, dass man nie weiß, woran man ist. In einer allzu nüchternen Sprache wird der Verbündete zum Feind, der Feind zum Verbündeten gemacht, und wieder umgekehrt. Die nüchterne Sprache steht im Kontrast zu den plötzlichen Gefühlseruptionen, dann wird geschrieen und gebrüllt, und dies kommt immer plötzlich. Aber eben durch die Schlichtheit und den vielfach nur beschreibenden Stil entfaltet sich eine sehr beklemmende Stimmung, und man wähnt sich tatsächlich an der Seite einer der Figuren im Trenchcoat, geht mit ihnen durch das London der Sechziger Jahre, weiß aber nie genau, wo man ist und woran man ist, ob der Feind sich gleich als Freund zu erkennen gibt oder der Freund ein Verräter ist.

Spannend ist diese Geschichte, auch wenn mir Raymond Chandlers desillusionierter Protagonist besser gefallen hat. Aber wer einen Samstag oder Sonntag mit einem guten Buch und einer wendungsreichen Geschichte verbringen möchte, ist hier gerade recht beraten. Ob man viel Sympathie für die handelnden Personen empfindet, oder in ein Wechselbad der Gefühle eintaucht, das mag bei jedem Leser anders sein. Auf jeden Fall wird jeder Leser gut unterhalten werden.

John le Carré: Der Spion, der aus der Kälte kam. Aus dem Englischen von Manfred von Conta. Econ Ullstein List GmbH & Co. KG, München 2001, OA aus dem Jahre 1963. 256 Seiten