Ein letzter Textschnipsel in diesem Jahr muss sein, daher kommt nun dieser aus einem so weit prachtvollen Buch:
„Mary hatte die Wahrheit über den Winter gesagt. Der Schnee zu Weihnachten war zwar hoch gewesen, aber wie eine Decke aus Federn, und die Luft fühlte sich wärmer an, nachdem er gefallen war, und die Stallburschen machten Unsinn und warfen mit Schneebällen; aber sie waren ganz weich und fielen auseinander, wenn sie einen trafen.
Aber dann fing der richtige Winter an, und der Schnee fiel jetzt im Ernst vom Himmel und war nicht mehr weich, sondern hart, wie winzige, stechende Kügelchen aus Eis. Er wurde von einem bitterkalten Wind dahergetrieben und häufte sich zu hohen Schneewehen auf, und ich fürchtete, wir würden alle bei lebendigem Leib begraben werden. Am Dach wuchsen Eiszapfen, und man mußte sehr vorsichtig sein, wenn man unter ihnen hindurchging, weil sie herunterfallen konnten und scharf und spitz waren; und Mary hatte von einer Frau gehört, die von einem getötet worden war, der sie von oben bis unten durchbohrt hatte wie ein Spieß. An einem Tag fiel Eisregen, der alle Bäume mit einem Mantel aus Eis überzog, und am nächsten Tag blitzen sie in der Sonne wie tausend Diamanten; aber die Äste brachen ab. Und die ganze Welt war hart und weiß, und wenn die Sonne schien, war alles so grell, daß man die Hand über die Augen legen mußte und nicht zu lange hinsehen durfte.“ (S. 253f.)
Margaret Atwood: alias Grace. Deutsch von Brigitte Walitzek. btb, 1996. OA: alias Gra e. McClelland & Steward Inc., Toronto, 1996. 637 Seiten.
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