Ranglistenupdate 7

Es ist wieder Zeit für ein Update meiner persönlichen Rangliste! Wie immer gilt, dass es sich um meine absolut subjektive Meinung handelt. Die komplette Liste könnt Ihr am oberen Bildrand unter „Meine Rangliste“ einsehen.

Diesmal neu:

Thomas Pynchon – Die Enden der Parabel. Neu auf Platz 11. Mit Unendlicher Spaß eines der schwierigsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt und ist unbedingt zu empfehlen! (Wer mag keine Herausforderungen?!)

Jeffrey Eugenides – Middlesex. Neu auf Platz 24. Wie die Korrekturen ein amerikanischer Familien- und Coming-of-Age-Roman. Angenehm und interessant zu lesen, hat er jedoch leider keinen allzugroßen Eindruck hinterlassen.

Elias Canetti – Die Blendung. Neu auf Platz 36. Wie man an den Reaktionen erkennen kann, polarisiert dieses Buch. Bei mir geht es aber in die negative Richtung, selten habe ich von einem Buch einen dermaßen schlechten Nachgeschmack. Was zwar immerhin ein bleibender Eindruck ist, aber auf der „Gefallensskala“ weit nach unten führt.

E.L.Doctorow – Ragtime. Neu auf Platz 31. Ragtime ist ein interessanter, gut geschriebener Blick auf das Amerika des anfangenden 20. Jahrhunderts. Allerdings fehlt mir auch hier der bleibende Eindruck.

Arthur Conan Doyle – Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Neu auf Platz 29. Ein Stück Popkultur, das sich hervorragend eignet, einen angenehmen Nachmittag am Strand oder Abend vorm Kamin zu verbringen und die Filme und Serien zu ergänzen.

Wie Ihr seht, ist diesmal kein absoluter „Knaller“ dabei, aber ich denke, das liegt bei 1001 Büchern in der Natur der Sache. Und ich weiß, dass dies beim nächsten Update anders sein wird!

Buch #38: Elias Canetti – Die Blendung

Elias Canetti wurde 1905 in Rustschuk, heute Russe/Bulgarien, in eine Familie mit sephardisch-jüdischem Hintergrund geboren. 1911 zog die Familie nach Manchester, nach des Vaters Tod 1912 nach Wien. 1916 zogen sie in die Schweiz und 1921 nach Deutschland. Ab 1924 studierte Canetti in Wien Chemie, besuchte aber auch Veranstaltungen von Karl Kraus. Ab 1925 widmete er sich dem Massen-Phänomen, das ihn sein Leben lang beschäftigen sollte.

1931 beendete er Die Blendung, die aber erst 1935 erschien. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 floh er mit seiner Frau nach London. Er verfasste mehrere Werke, 1960 erschien Masse und Macht, sein anthropologisches Hauptwerk. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den Büchner-Preis, den Nelly-Sachs-Preis, den Pour-le-Mérite-Orden und schließlich 1981 den Literaturnobelpreis. Am 14. August 1994 starb er in Zürich.

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Ich hatte Euch die Rezension schon für Dienstag versprochen. Dass es nun doch bis heute gedauert hat, bis ich mich dazu überwinden konnte, das Buch tatsächlich zu Ende zu lesen, gibt schon den ersten Hinweis auf das Folgende. Die Blendung ist in drei Hauptteile unterteilt, die jeweils mehrere Unterkapitel haben.

Der erste Teil heißt Ein Kopf ohne Welt. Hier lernen wir Peter Kien kennen, der bedeutendste Sinologe seiner Zeit. Er ist durch und durch Wissenschaftler, lebt nur für seine Gedanken und seine Bücher. Sein Leben bestreitet er sehr bescheiden mit Hilfe einer Erbschaft; für seine wissenschaftlichen Arbeiten Geld zu nehmen, findet er geschmacklos. Seit acht Jahren beschäftigt er eine Haushaltshilfe, Therese. Eines Tages wird ihm bewusst, wie gut sie zu seiner umfangreichen Bibliothek ist, und sie bringt ihn dazu, sie zu heiraten.

Dies war der größte Fehler seines Lebens. Er hatte seine kleine Welt, und auch wenn sie niemanden einschloss, hat er niemanden vermisst. Nun hat er Therese und Sorgen um Dinge wie Möbel, ein Testament und dergleichen mehr. Er kann nicht mehr arbeiten und spielt Machtspielchen mit ihr, die er schließlich verliert. Sie setzt ihn vor die Tür.

Hier beginnt Teil zwei, Kopflose Welt. Kien lernt Fischerle kennen, einen schachspielenden Kleinkriminellen, der zwergenwüchsig ist und einen Buckel hat. Fischerle nimmt Kien unter seine Fittiche, hofft er doch, langfristig genug Geld zu bekommen, um aus seinem Elend in einem Wiener Bordell zu entkommen in Richtung einer glänzenden Zukunft als Schachspieler in Amerika. Einerseits hilft Fischerle Kien bei Dingen, die er selber nicht schafft, z.B. regelmäßig zu essen oder zu schlafen. Dann wiederum nimmt er ihn hintenrum aus. Eine ganz große Hilfe ist er Kien auch bei der Aufbewahrung von dessen Kopfbibliothek, die dieser sich anstelle seiner Echten angeschafft hat, die er ja nun verloren hat. Nach und nach vertraut Kien Fischerle immer mehr und Fischerle kommt seinem großen Traum immer näher…

Kiens Bruder Georg, oder nun Georges, kommt im dritten Teil, Welt im Kopf, nach Wien. Er findet Peter als vollkommenes Wrack, dem übel mitgespielt wurde. Georg ist früh nach Frankreich ausgewandert, wo er zunächst Frauenarzt war, bevor er erfolgreich in die Psychiatrie wechselte. Dies hilft ihm nun auch, Peter zu helfen…

Soweit ganz grob die Geschichte. Kien ist ein weltfremder Wissenschaftler, und alle anderen (bis auf seinen Bruder) bemühen sich nach Kräften, ihn auszunutzen. Hier wird ein Schlag Menschen vorgestellt, der einen bis ins Innerste vor Ekel schütteln lässt. Natürlich ist in Kiens Geschichte Therese, die Frau, das Inbild allen Übels. Aber auch bei mir hat sie heftigste Reaktionen ausgelöst, eine so dumme, geldgierige, hinterliste Person…

Dass ich so empfunden habe, möchte ich als das Einzige herausstellen, was mich wirklich an diesem Roman fasziniert hat: die Art der Beschreibung. Man wechselt nämlich von Person zu Person in deren Gedankenstrom, und ihre Taten erscheinen immer als Ergebnis dieses Gedankenstroms. So ist man immer ganz nah bei der Person, und wenn man ganz nah bei Therese ist, bekommt man das dringende Bedürfnis, diese Person von sich abzuwaschen. Das ist genial gemacht, aber nicht weniger abschreckend. Und so ist es bei fast jeder Person, Canetti gibt uns den Abschaum mit allen seinen niederen Gelüsten und stellt dagegen den weltfremden Wissenschaftler, dem eben diese Gelüste fremd sind. So sieht man immer und immer wieder, wie sich Missverständnisse ergeben, Personen aneinander vorbeireden und Konflikte nur noch mehr wachsen, die mit einem einzigen klärenden Wort hätten aus der Welt geräumt werden können.

Mich hat das verstört und abgeschreckt. Ich habe mich geekelt, und teilweise musste ich das Buch weglegen. Insgesamt ist es recht einfach und flüssig zu lesen, das Fordernde ist, dass man die Bereitschaft haben muss, sich so intensiv mit diesen Personen auseinanderzusetzen. Georges Kien nimmt am Ende etwas von dem Schrecken, aber ich werde das Buch in ziemlich schlechter Erinnerung behalten. Es hat ein paar geniale Züge, aber insgesamt fand ich es fürchterlich.

Und nun bin ich auf Eure Reaktion gespannt, denn ich habe ja einige sehr positive und freudige Kommentare erhalten bei den Textschnipseln. Bitte erklärt mir doch, warum Ihr dieses Buch für so großartig haltet! Bei mir hat es leider nur den ganz negativen Nerv getroffen, und ich möchte jedem raten, der es lesen möchte:  Spar Dir die Zeit!